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OTTO SANDER und die Schauspielkunst

Über Heidelberg an die Bühnen Berlins

Otto Sander & Angelica Domröse in BIS ZUM HORIZONT, DANN LINKS | D 2012

Ein Telefon-Interview mit Otto Sander anlässlich seiner Ehrung mit dem „Preis für Schauspielkunst“ am 20. Juni 2012 beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen.

Sogar auf dem Anrufbeantworter entfaltet seine Stimme ihre eigentümliche Kraft: sonor, rau und sanft zugleich. Eigentlich hätte man sie jetzt gerne im Gespräch gehört, aber Otto Sander nimmt zum Interview-Termin den Hörer nicht ab. Vielleicht hat er keine Lust, schon wieder die üblichen Fragen zu beantworten: Wie es ihm nach seinem überwundenen Speiseröhrenkrebs nun gehe, wie er sich mit 70 so fühle und ob er wirklich aus Schüchternheit Schauspieler wurde?… Trotzdem um Rückruf bitten, man kann ja nie wissen – zumal die Fragen in eine ungewohnte Richtung gehen sollen: nach Heidelberg.

Dieses Porträt käme natürlich auch ohne seine Worte aus, es gibt genug eindrückliches zu berichten von diesem großen deutschen Schauspieler: berühmt geworden an den Bühnen Berlins – Freie Volksbühne, Schaubühne, Schillertheater – bei Claus Peymann, Peter Stein, Luc Bondy; bekannt geworden in über 120 Filmen – von Éric Rohmer, Volker Schlöndorff, WimWenders – Die Blechtrommel, Das Boot, sein Engel in Der Himmel über Berlin ist Legende. Seine Stimme ist sein Markenzeichen. Sander lieh sie Hollywoodgrößen wie Dustin Hoffman oder Ian McKellen als Synchronsprecher. 2010 erhielt er den Deutschen Vorlesepreis, unzählige Hörbücher hat er eingesprochen – man müsste mal nachzählen, wie viele eigentlich? … Da klingelt das Telefon. „Sander,“ tönt es durch die Leitung, „aus Berlin, hallo!“

„Wann war ich denn in Heidelberg?“ Die Gegenfrage ist verständlich, angesichts einer persönlichen Theater-Geschichte, die bald ein halbes Jahrhundert zurück reicht. Sander spielte 1967/68 am Theater der Stadt Heidelberg. Der damalige Intendant Hans-Peter Doll sah den frischgebackenen Schauspieler an den Düsseldorfer Kammerspielen, Sanders erstem Engagement nach Abschluss der Schauspielschule in München, und wollte ihn nach Heidelberg holen.

„Da habe ich gedacht: dort komme ich sofort hin! Weil das ein 3-Sparten-Theater ist. Oper, Ballett und Schauspiel – das wollte ich alles mal lernen. Ja, das war eine tolle Zeit… Da habe ich Ulrich Wildgruber in der Kantine kennengelernt. Der sagte immer: Wir sind nur von Idioten umgeben, wir müssen es besser machen!“ Und, haben die beiden es besser gemacht? Der Antwort ist das schelmische Grinsen sogar durchs Telefon anzuhören: „Na ja, wir haben es versucht, natürlich.“

Sanders Schauspielerleben in Heidelberg glich dem klassischen Studentenleben: Gewohnt hat er zur Untermiete in Handschuhsheim. „In Hendesse“, erzählt er, „bei einer alten Dame, die schon ein bisschen verrückt war, die ‚Hexe von Hendesse‘. In der Spargelzeit habe ich immer mit ihr Spargel geschält“. Das klingt sehr beschaulich, doch da fallen ihm noch andere Attraktionen ein: „Und dann gab es ja die wunderbaren Damen bei der Dolmetscherschule, da waren immer viele Studentinnen. Das war sehr nett!“

Auch an die Theaterkollegen erinnert er sich gern: „tolle Leute“. „Das war ja auch so eine Aufbruchstimmung Ende der 60er“. Als er hört, dass das Theater momentan völlig im Umbau ist und eine zweite Bühne bekommt, interessiert ihn das sehr: „Oh, da muss ich ja mal vorbeikommen und mir das angucken!“ Dabei fällt ihm ein: „Gibt es das ‚Essighaus‘ noch? Da habe ich immer in der Pause gesessen, und dann musste der Inspizient mich aus dem ‚Essighaus‘ holen. Das werde ich nie vergessen.“

Claus Peymann hat ihn dann damals von Heidelberg weg an die Freie Volksbühne nach Berlin geholt: „Der wird heute übrigens 75. Ich bin da auch eingeladen am Berliner Ensemble heute nach der Aufführung.“ Seit Peymann ihn vor 44 Jahren in die Stadt holte, hat Sander auf fast allen Berliner Bühnenbrettern gestanden. Mit seiner Frau Monika Hansen wohnt er immer noch in der Wohnung, aus der auch ihre Kinder Ben und Meret Becker ihre ersten Schritte ins Rampenlicht gemacht haben. Otto Sander selbst ist inzwischen so lange in der Theater-Szene der Stadt verwurzelt, dass der gebürtige Hannoveraner als Berliner durchgeht.

In Ludwigshafen wird er beim 8. Festival des deutschen Films mit dem „Preis für Schauspielkunst 2012“ geehrt: „Da freue ich mich. Denn sonst gibt es ja immer Preise fürs Lebenswerk – und ich mache ja noch weiter. Einen „Preis für Schauspielkunst“ habe ich noch nicht gekriegt, höchstens für eine Rolle oder ein Stück, aber nicht für die Schauspielkunst an sich. Und das ist für mich eine große Ehre. Ich bin jetzt schon aufgeregt.“ Er wird dort auch seinen neuen Film Bis zum Horizont, dann links vorstellen. Es ist sein 152ster: „Habe ich mal ausrechnen lassen. Aber alles mitgerechnet, selbst wenn ich nur einmal durchs Bild gegangen bin.“ Dann kann er ja sicher auch sagen, wie viele Hörbücher er insgesamt schon gemacht hat? „Oh Gott, das weiß ich nicht. Das habe ich nicht mitgezählt.“

Kirsten Kieninger, in anderer Form erschienen in der RNZ am 21.06.2012

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