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Dokumentarfilme und Demonstrationen beim 26. TiDF

Hochkarätig und höchstaktuell – so kann das Fazit des 26. Thessaloniki International Documentary Festival lauten, das am 17.03.2024 mit der Auszeichnung der Preisträger-Filme seinen Abschluss fand und zehn Tage zuvor durch die griechische Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou eröffnet wurde. Mit dem animierten Dokumentarfilm They Shot the Piano Player des spanischen Oscarpreisträgers Fernando Trueba fiel der Startschuss für ein Programm mit 250 neuen Dokumentarfilmen, persönlich präsentiert von Filmemacher*innen aus aller Welt, sowie ausgewählten Filmreihen und Hommagen.

Das Erscheinungsbild des Festivals prägten in diesem Jahr zwei sich küssende Männer auf Postern, Katalogen und Festival-Taschen, gezeichnet von Dimitris Papaioannou. Der facettenreiche  Künstler, auch bekannt für die Gestaltung der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2004, war persönlich präsent mit zwei eigenen Kurzfilmen, seiner Video-Installation Inside und als Gast während der VorabPremiere von Eva Stefanis Film Bull’s Heart, der ein Portrait des Künstlers und seiner Arbeit an der Tanztheater-Produktion Transverse Orientation ist.

Plakatmotiv des Festivals mit einer Zeichnung von Dimitris Papaionnou

Genau einen Monat nachdem das griechische Parlament gleichgeschlechtliche Ehen in dem mehrheitlich christlich-orthodoxen Land möglich gemacht hat, feierte das Festival mit der Film-Reihe Citizen Queer 33 Meilensteine des queeren Kinos und setzte ein Zeichen mit der Auszeichnung von Panayotis Evangelidis, dessen mutiges filmisches Schaffen zur Sichtbarkeit von Menschen aus der LGTBQ+Community beiträgt. Sein aktueller Film Tilos Weddings dokumentiert, wie der Bürgermeister der kleinen Ägäis-Insel Tilos 2008 zwei gleichgeschlechtliche Paare traut. Der darauf folgende Rechtsstreit durch alle Instanzen ist nun durch das am 16.02.2024 beschlossene Gesetz obsolet.

Leider noch immer aktuell sind Anfeindungen und Hass – nicht nur in Griechenland. Doch hier kamen sie sehr nahe. Am Samstagabend des ersten Festivalwochenendes jagte ein über 100-köpfiger Mob zwei trans Menschen – direkt vor dem Olympion-Kino, am zentralen Aristoteles-Platz. Tags darauf zeigten dort mehrere Tausend Menschen Flagge gegen queerfeindliche Gewalt. Zur Weltpremiere des Films Stray Bodies der griechischen Regisseurin Elina Psykou musste wiederum zwei Tage später ein Demonstrationsverbot verhängt werden, um die Sicherheit von Filmschaffenden und Publikum zu gewährleisten. Extrem rechte und religiöse Gruppen agitierten im Vorfeld gegen den Film, der das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper (d.h. das Recht auf Abtreibung, Sterbehilfe und künstliche Befruchtung) thematisiert. Am Ende des Festivals wurde Psykous Film mit zwei Lobenden Erwähnungen bedacht, sowohl von der Internationalen Jury als auch im Rahmen des Amnesty International Awards.

Filmstill aus Stray Bodies von Elina Psykou

Im Internationalen Wettbewerb des Festivals feierten gleich drei deutsche Produktionen ihre Weltpremieren: Pol Pot Dancing von Enrique Sánchez Lansch, Johatsu – Into Thin Air von Andreas Hartmann und Arata Mori und where we used to sleep von Matthäus Wörle. Letzterer hat die ausgeprägte Demonstrations-Kultur in Griechenland während des Publikumsgesprächs nach der Filmpremiere direkt miterleben können: die Thematik der Umweltzerstörung durch Unternehmen – Wörles Film portraitiert die alte rumänische Bäuerin Valeria, die in einem der letzten Häuser des Dorfes Geamăna lebt, das noch nicht im giftigen Schlamm der benachbarten Kupfermine versunken ist – diese Thematik treibt auch griechische Umweltaktivisten um. Denn im Norden von Chalkidiki baut das kanadische Unternehmen Eldorado Gold im großen Stil Kupfer und Gold ab. Die Aktivisten nutzen das Publikumsgespräch, um auf die Umweltproblematik dort aufmerksam zu machen – ohne die Veranstaltung ganz für sich zu kapern und bedankten sich bei Matthäus Wörle für seinen starken und bewegenden Film zu der Thematik.

Eine weitere deutsche Produktion war im Internationalen Wettbewerb als Internationale Premiere dabei. Weltpremiere feierte My Stolen Planet von Farahnaz Sharifi bereits im Februar auf der Berlinale in der Sektion Panorama Dokumente. In Thessaloniki wurde die aus dem Iran stammende Filmemacherin nun mit dem Hauptpreis des Festivals, dem Goldenen Alexander der Internationalen Jury, sowie dem FIPRESCI-Award ausgezeichnet. Beim DOK.fest München wird am 5. Mai zudem der Deutsche Dokumentarfilm-Musikpreis an die iranische Filmkomponistin Atena Eshtiaghi für ihren Beitrag an My Stolen Planet verliehen werden.
Der Silberne Alexander der Internationalen Jury von Thessaloniki ging an den Film Forest der polnischen Regisseurin Lidia Duda.

Eine vollständige Liste der Preisträger*innen des 26. Thessaloniki International Documentary Festivals findet sich hier.

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