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Von Widerstandskämpfern zu Leinwandhelden

„Die Weiße Rose“ und andere Protagonisten des NS-Widerstands im Film

 

Sie mussten im Dunkeln agieren, vor 70 Jahren, als sie gegen das NS-Regime aktiv waren. Heute stehen sie posthum oft im Scheinwerferlicht: als Protagonisten in Spielfilmen, die sich mit dem Thema Widerstand und Zivilcourage im Dritten Reich auseinandersetzen. Graf von Stauffenberg ist der meist verfilmte Held des deutschen Widerstands. Über seine (Bomben-)tragende Rolle beim Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 gibt es allein vier bekannte Spielfilme. Sophie Scholl steht in drei Filmen im Mittelpunkt, obwohl sie in der Weißen Rose nur eine marginale Rolle spielte. Sie stieß erst spät zu der studentischen Widerstandsgruppe dazu, deren treibende Kräfte ihr Bruder Hans Scholl und sein Freund Alexander Schmorell waren.

Beginnend mit Sophies Ankunft im München zeichnete Michael Verhoevens Film Die Weiße Rose (1982) die letzten zehn Monate ihres Kampfes bis zu ihrer Hinrichtung im Februar 1943 nach. Verhoeven stützte sich dabei auf vor allem auf Zeitzeugenberichte und die Tagebücher von Sophie und Hans Scholl, die er und sein Co-Autor Mario Krebs erstmals einsehen durften. Viele von ihnen recherchierte Details wurden zunächst als „künstlerische Freiheit“ abgetan und kritisiert, weil sie nicht dem damaligen Geschichtsbild entsprachen (z.B. dass die Gruppe auch Waffen beschaffte, oder dass die Wehrmacht Gefangene erschoss). Der Film löste nicht nur einen neuen Forschungsschub, sondern auch eine heftige öffentliche Debatte aus, weil der Abspann konstatierte, dass die Todesurteile des Volksgerichtshofes noch Bestand hätten. Obwohl sie schon seit 1946/47 aufgehoben waren, erklärte der Bundestag 1985 in der Folge noch einmal ausdrücklich, dass der ‚Volksgerichtshof‘ „kein Gericht im rechtsstaatlichen Sinne, sondern ein Terrorinstrument zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Willkürherrschaft gewesen war“.

DIE WEISSE ROSE | Regie: Michael Verhoeven | D 1982

Weniger gesellschaftliche Wirkung hatte Percy Adlons Spielfilm Fünf letzte Tage. Im selben Jahr entstanden wie Verhoevens Film und sogar mit derselben Hauptdarstellerin besetzt: Lena Stolze als Sophie Scholl. Die kammerspielartige Charakterstudie basiert auf den Aufzeichnungen ihrer Mitgefangenen Else Gebel.

Auch Sophie Scholl – Die letzten Tage (2005) von Marc Rothemund konzentriert sich ganz auf das einzige weibliche und jüngste Mitglied der Weißen Rose, das mit nur 21 Jahren hingerichtet wurde. Im Zentrum steht das tagelange Verhör von Sophie Scholl (Julia Jentsch) durch den Gestapo-Beamten Robert Mohr. Die Dialoge orientieren sich an den Verhörprotokollen der Gestapo, die erst mit der Wende 1989 zugänglich geworden sind.

Während der Widerstandskampf der Weißen Rose erst ab den 80er Jahren filmisch gewürdigt wurde und Sophie Scholl dabei als Protagonistin in den Blick rückte, wurde Oberst Graf von Stauffenberg schon 1955 für die Leinwand entdeckt. Sowohl in G.W. Pabsts semi-dokumenarischem Spielfilm Es geschah am 20. Juli (mit Bernhard Wicki) als auch in Falk Harnacks Der 20. Juli steht er als derjenige, der die Bombe in der Wolfsschanze platzierte, im Mittelpunkt der Ereignisse um das gescheiterte Hitler-Attentat. Fast 50 Jahre später griff Jo Baier das Thema in Stauffenberg (2004) mit Sebastian Koch in der Hauptrolle wieder auf und schaffte das, was dem Verschwörungs-Thriller Operation Walküre (2008) mit Tom Cruise nicht gelang: Eine eindrucksvolle Charakterstudie.

STAUFFENBERG | Regie: Jo Baier | Deutschland 2004

Die unterschiedlichsten historischen Figuren und Geschehnisse des deutschen Widerstands haben heute ihren Weg auf die Leinwand gefunden: Der Einzelkämpfer Georg Elser, der am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller ein Bombenattentat auf Adolf Hitler verübte (Georg Elser – Einer aus Deutschland von und mit Klaus Maria Brandauer, 1989); der Industrielle Oskar Schindler, der über 1200 Juden vor dem Tod bewahrte (Schindler’s Liste von Steven Spielberg, 1993); der Theologe Dietrich Bonhoeffer, der sich öffentlich gegen die Judenverfolgung aussprach und im Widerstand engagierte (Bonhoeffer – Die letzte Stufe mit Ulrich Tukur, 2000); aber auch die Frauen, die für die Freilassung ihrer jüdischen Ehemänner protestierten (Rosenstraße von Margarethe von Trotta, 2003) und weniger bekannte Gruppierungen, wie die gegen das NS-Regime aufbegehrenden Jugendbanden (Edelweißpiraten von Niko von Glasow, 2004) oder die „Rote Kapelle“ (KLK an PTX – Die Rote Kapelle, DEFA 1970), bestehend aus Widerstandsgruppen um den Luftwaffenoffizier Harro Schulze-Boysen, den Schriftsteller Adam Kuckhoff und den Ökonomen Arvid Harnack. Letzterer ist ein Cousin Dietrich Bonhoeffers und älterer Bruder von Falk Harnack – dem Regisseur von Der 20 Juli. Der Widerstand gegen das NS-Regime scheint nur auf den ersten Blick aus disparaten Gruppen von Aktivisten zu bestehen. Doch bei näherem Hinschauen – zu dem gerade auch die filmische Aufarbeitung einlädt – gibt es viele (nicht nur verwandschaftliche) Querverbindungen zu entdecken: So hatte z.B. auch „Die Weiße Rose“ Kontakte zur Widerstandsbewegung des 20. Juli, wie Verhoeven in seiner Verfilmung zeigte.

Kirsten Kieninger, in anderer Form erschienen in der RNZ vom 28.06.2012

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