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LA VIDA DE LOS PECES

Eröffnungsfilm des 59. Internationalen Filmfests Mannheim-Heidelberg

Matías Bize | LA VIDA DE LOS PESCES | THE LIFE OF FISH | Chile 2010

Als Eröffnungsfilme werden gerne leichte, heitere Filme gewählt. Nicht so beim 59. Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Der Filmreigen 2010 wurde mit La vida de los peces von Matías Bize eröffnet.

Ein melancholisches Kammerspiel: Ein Haus, eine Nacht, eine Party. Gespräche, Blicke, Nahaufnahmen. Und doch entfaltet sich darin nach und nach das Panorama eines Lebens, mitsamt der Entscheidungen und verpassten Chancen der Vergangenheit, der Hoffnungen für die Zukunft und der Desillusionierungen der Gegenwart.

Nach 10 Jahren als Reisereporter mit Homebase Berlin kehrt der 33-jährige Journalist Andrés für einen Besuch in seine chilenische Heimat zurück. Schon die erste Einstellung des Films findet ihn nachdenklich und ganz bei sich inmitten seiner alten Freunde auf der Party. Während ihn die Kamera quasi in Realzeit von einem Freundesgrüppchen zum nächsten begleitet, entfalten sich in den Dialogen die letzten 10 Jahre seines Lebens.

Es liegt eine seltsam gedämpfte, manchmal fast Trance-artige Stimmung über dem Film. Die Gänge, die Andrés in den Fluren des Hauses zurücklegt, sind immer auch Wege in sein Innerstes, zu Stationen seines Lebens, zu Erinnerungen, Emotionen, Hoffnungen. Die sparsam eingesetzte Filmmusik funktioniert als Spiegel seiner Gefühlslagen. Nachdem er nach anfänglichem Zögern die ersten Worte mit seiner Ex-Freundin Beatriz gewechselt hat, vermittelt die aufwallende Musik seine Aufregung, Freude und Hoffnung.

In einzelnen Szenen entsteht – auch dank des subtilen und nuancenreichen Spiels von Santiago Cabrera – eine Intensität, die den Film mit seinem ruhigen Tempo trägt. Wenn man sich auf den Fluss der Erzählung einlässt,  sich mit Andrés zwischen den anderen Partygästen durch das Haus treiben lässt, erschließt sich auch, warum der Film „Das Leben der Fische“ heißt: Eigentlich ist das Haus auch nur ein großes Aquarium (die Lichtreflexe und der gedämpfte Ton der anderen Partygäste vermitteln dies auch formal) und die Menschen bewegen sich eben so durch ihr Leben. Andrés wollte sich nie festlegen, er ist ständig auf dem Sprung, Beatrize hat inzwischen eine Familie. Aber ist das, das Leben, von dem sie geträumt hat? Am Ende erwacht impulsiv die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft – oder eher nicht, denn Andrés ist immer noch ein selbstbezogener, wenn auch desillusionierter, Träumer und Beatrize stößt schließlich an die unsichtbare Wand des Aquariums ihrer Lebenswirklichkeit… Doch das Leben geht weiter.

Die sehr sensible Schauspielführung und die Tatsache, dass der Regisseur selbst das Drehbuch schrieb, lassen viel persönliche Betroffenheit erkennen – seien es eigene Erfahrungen, oder bei Freunden miterlebte. Der Regisseur, übrigens genau im Alter seines Protagonisten, hat inzwischen eine Meisterschaft darin entwickelt, in restriktiven Settings und mit einfachsten Mitteln große, emotional berührende Geschichten zu erzählen. Schon sein Film En la Cama (2007) spielte mit nur 2 Protagonisten nur in einem Hotelzimmer.

Gibt es im jungen chilenischen Kino eigentlich gerade einen Trend zum Kammerspiel? Wenn man sich nun  Matías Bizes La vida de los peces und Sebastián Silvas La Nana von 2009 so anschaut, sieht es fast so aus…

Matías Bize ist übrigens ein Kind des Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg. 2003 war er dort mit seinem Erstlingswerk Sabado zu Gast, wo der damals 23-Jährige für sein 65-minütiges, nur in einer Einstellung gedrehtes Experiment mit dem Rainer-Werner Fassbinder-Preis belohnt wurde. Sein inzwischen fünfter Film La vida de los peces geht jetzt für Chile ins Rennen um den Auslandsoscar 2011.

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