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POSTIA PAPPI JAAKOBILLE | Letters to Father Jakob

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Klaus Härö | Finnland 2009 | 74 Min.


„Die Jury war sich sofort darüber einig, dass der Hauptpreis an den finnischen Film „POSTIA PAPPI JAAKOBILLE“ gehen muss. Dem Regisseur Klaus Härö ist in diesem Film ein wahres Meisterwerk gelungen, bei dem sich der Zuschauer erhoben und zugleich ernst genommen fühlt. So muss Kino sein.“

Statement der Internationalen Jury am 15.11.2009 zur Vergabe des Großen Preises von Mannheim-Heidelberg an Klaus Härö aus Finnland für den Film
POSTIA PAPPI JAAKOBILLE / Letters to father Jakob

Gleich vorweg gesagt: Ganz so einig mit der Jury des 58. Internationalen Filmfests Mannhein-Heidelberg bin ich nicht, was diesen Film betrifft. Auch nicht nach ausreichender Bedenkzeit – sind doch seit der Preisverleihung schon über 2 Wochen vergangen…

Der Film ist die offizielle finnische Einreichung zum Auslandsoscar 2010, also wird man auch hier in Deutschland sicher noch mehr darüber hören und ihn wahrscheinlich auch zu sehen bekommen.

Die Geschichte, die „Postia pappi Jaakobille“ erzählt ist simpel und schön:

Die wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilte Leila wird nach 12 Jahren im Gefängnis plötzlich von ihrer Begnadigung überrascht. Mangels Perspektive macht sie sich auf den Weg zu einem abgelegenen alten Pfarrhaus und tritt dort etwas unwillig die Stelle an, die der Gefängnisdirektor ihr vermittelt hat:  Sie soll dem blinden Vater Jakob assistieren. Dieser verbringt seine alten Tage damit, Briefe von um seelische Unterstützung bittenden Menschen zu beantworten.  Die herbe Leila hält das für sinnlose Zeitveschwendung und sabotiert die Lebensaufgabe des alten Pfarrers.  Sie muss aber erkennen, dass diese Briefe die lebenserhaltende Stütze des alten Mannes sind. Und zum guten Ende werden sie auch für ihr eigenes Schicksal eine entscheidende, erlösende  Rolle spielen.

Es ist mit schaurig-schönem Unbehagen mitanzusehen, wie Leila mit ihrer trägen, in sich ruhenden und zugleich beunruhigenden Präsenz ihren Raum im Pfarrhaus einnimmt.  Eine Atmosphäre macht sich mit ihr breit, die Erinnerungen an Horrorfilme wach werden lässt und geschickt Befürchtungen nährt, Leila könnte sich z.B. als Epigonin der Annie (Cathy Bates) aus „Mysery“ (1990) entpuppen. Subtil spielt der Film in einzelnen Szenen mit Versatzstücken des Horrorgenres und zieht gelungene, lakonisch komische Momente daraus. Über die ganze Strecke entwickelt sich der Film finnisch wortkarg, mit viel Zeit für Ambiente und Stimmung. Inmitten einer grossartigen Landschaft (meisterhaft fotografiert von Kameramann Tuomo Hutri, der schon mit dem Nordic Vision Award 2009 ausgezeichnet wurde) duellieren sich die zwei Hauptdarsteller in einem Kammerspiel über Glaube und menschliche Schwäche. Dabei trägt, was den Facettenreichtum der Rolle betrifft, die feministische Autorin  Kaarina Hazard als Leila gegenüber dem Fernseh-Veteran Heikki Nousiainen , der in seiner Darstellung als Vater Jakob recht eindimensional bleibt, den Sieg davon. Die mimische Entsprechung von „Fuck you, ist mir doch egal“ und stilles Staunen liegen in ihrem Gesicht ganz nah beieinander und unter der stillen Oberfläche brodelt eine unterdrückte Wut. Allerdings ist es vorhersehbar, dass Leilas Mauer aus Unnahbarkeit und Ungerührtheit im Verlaufe des Films aufbrechen und welchen Verlauf die Story nehmen wird.

Der vierte langen Spielfilm des Regisseurs  Klaus Härö sollte ursprünglich nur für das Fernsehen produziert werden, aber die Produzenten haben Potential für das Kino darin erkannt. Es würde mich sehr interessieren, welche Länge denn ursprünglich für das Fernsehen geplant war. Denn so holzschnittartig, wie die Story-Idee in Script und Charakterzeichnung ausgearbeitet wurde, scheint sie eher für einen langen Kurzfilm, als für einen kurzen Langfilm ausgelegt gewesen sein. Mit Mühe schleppt sich die Geschichte über die 70 Minuten Hürde zur Langdistanz und erschöpft sich dabei gehörig. In der Dehnung mancher Szene über den Moment und manchmal auch über die Momente hinaus (Vater Jakob in der Kirche, Leila im Taxi), verliert sich dann leider auch die Intensität der Darstellung. Das ist sehr schade, beschleicht einen dadurch doch über die Zeit hinweg das Gefühl, eine zwar visuell opulente, wohl aber zu grosse kleine Mogelpackung vor sich zu haben.


Filmdaten:

Sprache: Finnisch mit englischen Untertiteln
Buch: Jaana Makkonen, Klaus Härö
Darsteller: Kaarina Hazard, Heikki Nousiainen, Jukka Keinonen, Esko Roine
Kamera: Tuomo Hutri
Ton: Kirka Sainio
Montage: Samu Heikkilä
Musik: Dani Strömbäck
Ausstattung: Kaisa Makinen
Kostüme: Sari Suominen
Produktion: Kinotar Oy; Risto Salomaa, Lasse Saarinen

Trailer >

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