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CAÑO DORADO | Golden Gun

Cano Dorado

Eduardo Pinto | Argentinien 2009 | 103 min.

Eigentlich ist Julito schon zu Beginn des Films echt fertig: Er wohnt mit seiner Mutter in einem ärmlichen Barrio von Buenos Aires. In der Werkstatt seines verstorbenen Vaters schweisst er heimlich aus Rohrresten improvisierte Schusswaffen. Diese vertickt er für wenig Geld im Viertel. Er will größer einsteigen und mit dem lokalen Gangsterboss ins Geschäft kommen – ausgerechnet am Rande einer Benefiz-Party für einen Jungen, der durch solche Waffen ein Auge verloren hat. Guns’n’Gangsters’n’Girls bilden die explosive Mischung des fiebrigen Lebensstils, in dem das kalte, fahlblaue Neonlicht auf den Schweiß der heiß durchtanzten Nächte trifft. Als sich Julito in ein Mädchen verliebt und mit ihr zum Angeln fährt, hofft man mit ihm ein wenig Abstand zu diesem unguten Sog zu bekommen. Doch ausgerechnet durch diesen Ausflug in die paradiesische Flusslandschaft wird sein Leben erst recht zum Höllentrip. Mit einer expressiven Bildsprache von unmittelbarer Wucht und streckenweise MTV geschulter Ästhetik reisst der Regisseur Eduardo Pinto den Zuschauer mitten hinein in eine verzweifelte Lovestory, authentisch erzählt aus dem rhythmisch pulsierenden Herzen des modernen Argentinien. Aus einer Welt, in die sich auch die meisten Argentinier in der Realität nie wagen würden. Bei den Dreharbeiten in dem – eben auch in real – nicht ungefährlichen Barrio hatte das Filmteam immer einen Psychologen dabei, um Konflikte und Eskalationen zu vermeiden.

Der Film erlebt während des Festivals seine Welt-Uraufführung. Der Regisseur, der Produzent und der Hauptdarsteller Lautaro Delgado sind hier vor Ort. Delgado ist in seiner Heimat schon ein Star, Pinto gilt als interessantester Newcomer. Zurecht: Denn schon die ersten Minuten des Films sind  furios, die überhöhte Ästhetik eines Videoclips (von denen Eduardu Pinto schon eine Menge inszeniert hat und von denen her er auch ein gutes Händchen für die Musik seines Films hat) trifft auf halbdokumentarische Stadtimpressionen. In der Rhythmisierung von Julitos  Maschinenarbeit während der Titelsequenz kommt Lars von Triers „Dancer in the Dark“ dahergeweht, um in der musikalischen Coolness der Montage der ersten Stadtimpressionen dann eher dem Geist von Steven Soderbergh Platz zu machen. Aber es dauert nicht lang, da treibt Eduardo Pinto diese Geister aus und lässt seinen verzweifelten (und zweifelhaften)  Held Julito allein mit seinen ureigenen Geistern kämpfen – welche ihre Wurzeln auch im expressiven Christentum Lateinamerikas haben.

Watch out for this man: Eduardo Pinto – Ein Regisseur mit einer Vision

Eduardo Pinto at event of Palermo Hollywood © WireImage.com


Nachtrag: Diesen Film haben ich und andere als würdigen Anwärter auf den „Rainer Werner Fassbinder-Preis“ des 58. Internationalen Filmfestes Mannheim-Heidelberg eingeschätzt. Der Preis ging jedoch am 15.11.2009 an den Film „Miss Kicki“.


Filmdaten:
Regie: Eduardo Pinto
Drehbuch: Eduardo Pinto
Darsteller: Lautaro Delgado, Tina Serrano, Camila Cruz, Yiyo Ortiz
Kamera: Daniel Ortega
Montage: Mariano Dawidson
Musik: Fabián Picciano
Produktion: No Problem Cine, ABS Production, Omar Jadur

Link zum Trailer des Films >

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