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DOK Leipzig 2019 – ein kurzer Festival-Rückblick

Die Akkreditierungs-Badges, die den über 3000 Fachbesuchern während der Festivalwoche am Halsband baumelten, kamen diesmal ganz ohne Plastikhülle daher. Bei DOK Leipzig hat man verstanden, wie einfach es ist, ein wenig ökologisches Bewusstsein zu zeigen. Auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos tut man sich damit etwas schwerer, wie Marcus Vetters Film Das Forum zeigt, der das 62. Internationale Festival für Dokumentar- und Animationsfilm eröffnete. Erstmals hat ein freier Filmemacher Einblick bekommen in das jährliche Stelldichein der Mächtigen aus Politik und Wirtschaft, das Klaus Schwab seit 49 Jahren organisiert. Sein Ziel, die Welt zu verbessern, gestaltet sich nicht nur mit den aktuellen Akteuren des Weltgeschehens schwierig, der Teufel liegt auch im Detail, denn auf die Plastiktaschen mit dem Werbeaufdruck des WEF glaubt man schwer verzichten zu können.

In Leipzig waren die roten Baumwollbeutel der Festivalbesucher während der DOK-Woche nicht zu übersehen. Über 300 Filme und interaktive Arbeiten aus mehr als 60 Ländern standen auf dem Programm, darunter eine Hommage an die Animationsfilmer Brothers Quay, ein Länderfokus Kroatien und die große Retrospektive „BRDDR“. In diesem Jahr stammten mehr als die Hälfte der Filme, die es in die offizielle Auswahl geschafft haben, von Regisseurinnen. Festivalleiterin Leena Pasanen, die mit dieser Festivalausgabe ihren Abschied von DOK Leipzig nehmen wird, hat sich in ihren fünf Jahren an der Festivalspitze stetig dafür eingesetzt, dass die Präsenz von Filmemacherinnen im Programm stärker wird.

Dieses Engagement spiegelte sich auch auf der diesjährigen Preisverleihung: Die Goldene Taube im deutschen Langfilm-Wettbewerb ging an Zustand und Gelände von Ute Adamczewski, der Publikumspreis des Festivals, der „Filmpreis Leipziger Ring“ ging an Natalia Preston für Girls of Paadhai. Insgesamt wurden 24 Preise mit einem Gesamtwert von 82.000 Euro vergeben. Der große Gewinnerfilm war Exemplary Behaviour aus Litauen, ausgezeichnet mit der Goldenen Taube im Internationalen Wettbewerb, dem Preis der Interreligiösen Jury, sowie dem FIPRESCI-Award der Internationalen Filmkritik. Der Film von Audrius Mickevičius und Nerijus Milerius ergründet die Frage, ob Schuld jemals verjährt und Mord wirklich gesühnt werden kann.

In diesem Jahr hat DOK Leipzig mit dem Symposium „Wem gehört die Wahrheit? – Der Politische Gegner im Visier der Kamera“ auf den Eklat reagiert, für den der letztjährige Gewinnerfilm im Deutschen Wettbewerb sorgte. Den jungen Filmemachern von Lord of the Toys wurde vorgeworfen, einer Gruppe rechtsgesinnter YouTuber unkommentiert eine Plattform zu bieten. Nun waren zwei Tage Zeit und Raum, miteinander zu reden. Mit Filmemachern wie Thomas Heise und Tamara Trampe auf dem Podium entspann sich dabei eine generationsübergreifende Debatte über die elementare Frage, mit welchen Mitteln sich ein Dokumentarfilm seinen Protagonisten annähern kann, ohne sich mit ihnen gemein zu machen.

Im nächsten Jahr wird der Journalist und Filmkritiker Christoph Terhechte, der von 2001 bis 2018 Leiter des Internationalen Forums des Jungen Films der Berlinale war, die Festivalleitung in Leipzig übernehmen.

[Kirsten Kieninger, Print-Artikel erschienen in der RNZ vom 05.11.2019]

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