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AN EINEM SAMSTAG: Der Tag nach Tschernobyl

V Subotu – Innocent Saturday

 

© Bavaria Pictures

Aleksandr Mindadze |AN EINEM SAMSTAG |Deutschland, Russland, Ukraine 2011

Samstag, der 26. April 1986. In der Kleinstadt Pripjat genießen die Menschen das erste warme Frühlingswochenende. In der Nacht ist im benachbarten Kernkraftwerk Tschernobyl der Reaktor explodiert, aber die Bevölkerung ist über das wahre Ausmaß der Katastrophe eineinhalb Tage lang im Unklaren gelassen worden.

Die von der Bavaria realisierte russisch-ukrainische Koproduktion „An einem Samstag“ – der pünktlich zum 25. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl in die Kinos kommt und durch Fukushima gleichzeitig eine erschreckende Aktualität erhält – spielt in den ersten 24 Stunden nach dem Super-GAU. Der junge Parteifunktionär Valerij (Anton Shagin) wird Augenzeuge der Panik der Verantwortlichen am Reaktor. Er läuft um sein Leben, weg vom brennenden Reaktor, rein nach Pripjat, um mit seiner Freundin vor der radioaktiven Gefahr zu fliehen. Die Handkamera von Oleg Mutu (4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage) heftet sich ab der ersten Einstellung an die Fersen des Protagonisten und transportiert mit heftigstem Gewackel unmittelbar dessen atemlose Odyssee durch eine Stadt, in der das Leben seinen gewohnten Gang geht, obwohl jenseits Stadtrands die Ruine des Kernkraftwerks mit der tödlichen Strahlung weithin sichtbar glüht.

Vor diesem Hintergrund wirkt die ausgelassene Hochzeitsgesellschaft, auf der Valerij hängen bleibt, wie ein hysterischer Tanz auf dem Vulkan. Seine Freundin und alte Weggefährten sind als Band auf der Hochzeit engagiert, Valerij springt für den betrunkenen Drummer ein. Er weiß, dass er dem Tode geweiht ist und doch hört er nicht auf zu spielen, die Kumpels kippen sich „zur Dekontaminierung“ unaufhörlich Rotwein hinein, alte Fehden brechen aus. Das Geschehen nimmt groteske Züge an, die Panik geht in Lethargie über, die Momente dehnen sich unerträglich, was durch die unmittelbare Kameraführung mit ihren extrem nah gedrehten Plansequenzen noch verstärkt werden. Dem Zuschauer vermittelt sich das unangenehme Gefühl, gefangen in einem Albtraum zu sein. Man will endlich fliehen, man will dieser Situation nicht mehr ausgesetzt sein. So gesehen ist der Film von Aleksandr Mindadze, der im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale lief, auch eine echte Zumutung. Im Nachhinein erweist sich allerdings der bleibende Nachhall eines Gefühls der Ohnmacht als sehr eindrücklich und dem Thema angemessen.

© Kirsten Kieninger, zuerst erschienen in der RNZ vom 21.04.2011

Filmdaten:

Titel: An einem Samstag
Originaltitel: V Subbotu
Produktionsland: Deutschland, Russland, Ukraine
Produktionsjahr: 2011
Länge: 99 Min.
Verleih: NFP marketing & distribution
Kinostart: 21.04.2011
Regie: Aleksander Mindadze
Drehbuch: Aleksander Mindadze
Kamera: Oleg Mutu
Montage: Ivan Lebedev, Dasha Danilova
Hauptdarsteller: Sergei Gromov, Vasilij Guzov, Vyacheslav Petkun, Stanislav Ryadinskiy, Anton Shagin, Svetlana Smirnova-Marcinkevich

 

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